Jos Kinzés "Luxemburger Orgelbuch" - Tokkaten, Fantasien und Variationen

Tokkaten, Fantasien und Variationen


1996 erschien in der Sankt-Paulus-Druckerei eine Sammlung mit Orgelwerken von Jos Kinzé. Mit seinen Kompositionen für Orgel hat der Diekircher Musiker sich in Luxemburg ohne Zweifel einen Namen gemacht. Denn er hat es nicht nur verstanden, seine Werke einem größtmöglichen Organistenkreis zugänglich zu machen, sondern verarbeitet darüber hinaus die für seine Heimat spezifischen Kirchenliedmelodien auf meisterliche Art zu klangvollen Werken.

Unter dem Titel "Luxemburger Orgelbuch" (1) (Livre d'orgue du Luxembourg), das der Komponist seinem Freund Carlo Hommel widmete, hat Jos Kinzé liturgische Lied-Variationen, aber auch Fantasien, Meditationen sowie Tokkaten, die seine musikalische Handschrift voll zur Geltung bringen, zusammengestellt (2).

Kinzés Orgelmusik beruht nicht nur auf unaufhaltsam vorantreibenden Tempi: sie trägt durchwegs auch transzendente Züge, die von der Sensibilität und der Inspirationsfähigkeit des Komponisten zeugen.

Prägnantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist sicherlich das in Luxemburg allseits geschätzte Orgelstück über das alte Muttergotteslied "O Mamm, léif Mamm...". Das Werk setzt sich aus teils verträumten, teils verspielten Variationen zusammen und endet mit einer mächtigen und virtuosen Fuge.

Zu den eher besinnlichen Orgelstücken gesellen sich ausdrucksstarke, majestätisch anmutende Werke, die den Klangreichtum der Königin der Instrumente zu effektvoller Entfaltung bringen. In der feierlichen Introduktion über den österlichen Hymnus "Christ ist erstanden" fließen sowohl mystische als auch triumphale Klangelemente ineinander. Die "Fantasie und Fuge über die d-moll Tonleiter" beginnt mit leidenschaftlich aufwühlenden Akkorden, um dann in ruhigere Rhythmen zu münden.

André Link (3) hat einmal treffend bemerkt, dass Jos Kinzé nicht etwa mit der Tür ins Haus fällt, "indem er das Thema in unverhüllter Direktheit vor uns ausbreitet. Vielmehr versteckt er es, führt es nach geheimnisvollem Präludieren geschickt ein, umkleidet es dann mit einem reizvollen Stickwerk eigener Fraktur und läßt es erst dann wie beiläufig in der uns vertrauten selbstbewußten Gestalt auftreten. Erst wenn sich die einzelnen Mosaikstücke zusammengefunden haben, wird offenbar, mit welch kunstvollem Gefüge von glasklarem architektonischem Zusammenhalt wir es zu tun haben. Kurze triumphierende Cluster bilden meist den Abschluss der musikalischen Wegstrecke, deren Reiz die beim Ausgang noch unvorhersehbaren Windungen und Abstecher bilden."

Werke wie z. Bsp. die "Toccata francese" oder die "Sorties brèves Nr 3 und Nr 4" zeugen auf beeindruckende Weise vom musikalischen Erfindungsvermögen des Komponisten.


Jos Kinzé, der seit seiner Jugend als Organist tätig ist, hat in seiner Orgelmusik einen eigenen, unverkennbaren Stil entwickelt. Seine Werke lassen sich nur schwer, wenn überhaupt, einer bestimmten Schule zuordnen. Sicherlich hat der Komponist seine Orgelstücke "für sich selbst" geschrieben. "Zudem wird die Orgel dem Naturell Jos Kinzés wohl am meisten entgegenkommen", meint Loll Weber.

Wenn Jos Kinzé Musik schrieb, fand er zu sich selbst. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sowohl seine Freude am Orgelspiel als auch seine Religiosität ihn zu diesen Werken veranlassten.


Kinzé ist kein frömmelnder, sondern ein gläubiger Organist. Er interpretiert und komponiert aus dem Herzen. Gerade hierin liegt die Originalität seines Schaffens und damit des Meisters authentischer Beitrag zur luxemburgischen Orgelliteratur.

André Bauler

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(1) Jos KINZÉ (1996), LUXEMBURGER ORGELBUCH (Livre d'Orgue du Luxembourg), ISP Luxembourg, 106 S., Format DIN A4, broschiert, Titelbild: Die Viandener Trinitarierkirche. Das Buch kann bestellt werden durch Überweisen von 9,42 EUR auf das CCP 12-12 der Sankt-Paulus-Druckerei. Das Orgelbuch ist auch im Buchhandel erhältlich.

(2) Fantaisie sur la gamme de ré mineur / Creator alme siderum / Ave Maria (Adventslied) /Zwei Meditationen zu Weihnachten: "An der grousser hellger Nuecht" und "Aus dem Himmelssall" /O Haupt voll Blut und Wunden /Christi Mutter stand in Schmerzen / Victimae paschali laudes / Praeludium und Fuge über "Christ ist erstanden" / Veni creator spiritus / Lauda Sion / Variationen über "O Mamm, léif Mamm" / Paraphrase über "Wie unsre Väter flehten / Ave spes nostra / Fünf kleine Orgelstücke um den Ton "g" / Sortie brève No 1 / Sortie brève No 2 - "Toccata francese" / Sorties brèves No 3-4 / Sortie brève No 5 - Spanische Toccatina / "Wilhelmus" / Romantisches Zwischenspiel / 15 Praeludien aus dem Morcoter Orgelbuch / 15 romantische Orgelstücke /Thema mit Variationen / "Plus près de toi mon Dieu" / "Nu looss ët an Dir stëll gin"

(3) André Link (1996), "Eine alte Orgel hat für eine neue gesungen - Jos Kinzé spielte zum Abschluß des "Orgelwochenendes" in der Diekircher Dekanatskirche, LW, Kulturseiten vom 9.10.1996