Jos Kinzé

In memoriam

Jos Kinzé

1.10.1918 - 20.9.2003

Jos Kinz?Jos Kinzé gehört zu den bekanntesten und anerkanntesten (!) luxemburgischen Organisten des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1995 und 1999 war er künstlerischer Berater der Diekircher Orgelfreunde. Als Mitbegründer unserer Vereinigung engagierte er sich besonders für den Bau einer Orgel im Dienst des "Conservatoire du Nord".

Kinzé wurde am 1. Oktober 1918 geboren. Er verbrachte seine Jugend in Oberkorn. Anläßlich der Einweihung der neuen Kirchenorgel seiner Heimatpfarrei bekam er dort im Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal die Gelegenheit, Werke französischer und deutscher Meister zu hören, die von Domorganist Albert Leblanc und Albert Thorn gespielt wurden. Die Faszination, die von diesen barocken und romantischen Klängen ausging, ließ ihn den Entschluss fassen, sein Leben in den Dienst der Musik zu stellen.

Ende der 30er Jahre belegte Kinzé am Luxemburger Musikkonservatorium die Fächer Gesang, Harmonie und Kontrapunkt, besuchte Kurse für Fagott und studierte Orgel bei Michel May. Fernand Mertens, großherzoglicher Kapellmeister, führte ihn in die Geheimnisse der Orchestration ein.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde er zum Organisten in Weimerskirch bestellt und vervollständigte ab 1948 seine Ausbildung an der renommierten Schola Cantorum in Paris bei Yves Ramette (Komposition) und Achille Philippe (Orgel). Zu Beginn der 50er Jahre belegte er zusätzlich Kurse bei Rudolf Petzold an der Staatlichen Hochschule für Musik in Köln.

Organist in Diekirch

Am 1. Januar 1952 erhielt Jos Kinzé die Ernennung zum Organisten der Diekircher Dekanatskirche. Hier fand er seine zweite Heimat und dirigierte während vier Jahrzehnten mit viel Geschick und Engagement die Chorale municipale Dikricher Sängerbond, welche er mit Uraufführungen eigener Werke von Erfolg zu Erfolg führte. Zudem gründete er im Jahre 1960 den Jugendchor Solschlösselcher, den er bis 1987 leitete.

Darüber hinaus war Kinzé Dirigent folgender Musikvereine: Chorale Lasauvage (1940-45), La Fraternelle aus Stadtgrund (1945-47), Union chorale grand-ducale Luxembourg-Rollingergrund (1945-48) sowie der Gesangvereine aus Bettemburg (1945-93), Rumelingen (1945-52), Schifflingen (1950-52), Wasserbillig (1967-73), Ettelbrück (Lyra, 1966-81). Zwischen 1952 und 1967 dirigierte er auf Wunsch von Vic Abens die Viandener Stadtmusik.

Auszeichnungen und Orden

Im Laufe seines Lebens erhielt Jos Kinzé etliche nationale und internationale Auszeichnungen bzw. Orden. So wurde er zum "Chevalier avec couronne de l¹Ordre de Mérite civil et militaire d¹Adolphe de Nassau", zum "Commandeur de l¹Ordre grand-ducal de la Couronne de Chêne", zum "Commandeur de l¹Ordre de Mérite du Grand-Duché de Luxembourg". Des weiteren erhielt er die "Médaille en argent des Arts-Sciences-Lettres, Paris", die "Plaquette Pie X de l¹Union St-Pie" sowie die "Médaille de Mérite en vermeil de la Confédération Internationale des Sociétés Musicales".

Als Luxemburg Kulturhauptstadt Europas war, setzte die Gemeinde Diekirch einen besonderen Akzent, indem sie den Komponisten, Organisten, Musikpädagogen und Chorleiter Jos Kinzé am 19. März 1995 im Rahmen einer würdevollen Feier mit dem Titel eines citoyen méritant ehrte.

Im November 1995 veröffentlichte die Stadt Diekirch ein Buch über das kompositorische Schaffen Jos Kinzés. In dieser reich illustrierten Veröffentlichung findet der interessierte Leser u. a. ein detailliertes Werkverzeichnis sowie biographische Notizen. Mit der Herausgabe einer Auswahl seiner Kompositionen auf CD wurde die Ehrung im Frühjahr 1996 abgeschlossen.

Schöpferische Vielfalt

So manche seiner Kompositionen entstanden am Luganer See, wo der Künstler regelmäßig seinen Urlaub verbrachte. Unter diesen Schöpfungen sind vor allem das Vareser Te Deum, die Lombardische Passion und das Morcotische Orgelbuch hervorzuheben.

Die Freundschaft mit Henri Pensis, dem Leiter des RTL-Orchesters, sollte sich ebenfalls positiv auf sein musikalisches Schaffen auswirken, ebenso wie die Bekanntschaft mit Franz Grothe. Daneben gaben ihm die gesundheitsbedingten Aufenthalte von Henri Pensis in der Schweiz die Möglichkeit, eigene Werke mit dem RTL-Orchester aufzuführen und aufzunehmen.

Jos Kinzé komponierte stets mit Gefühl und wehrte sich dagegen, jahrhundertealte Regeln auf Kosten kurzlebiger Modeerscheinungen über Bord zu werfen. Ein auf Dissonanzen und Klangexperimenten aufbauendes und damit der Kurzlebigkeit unterworfenes Komponieren lag ihm fern.

Orchesterwerke und Orgelmusik

Eine Reihe seiner Werke wurden von ausländischen Orchestern gespielt, so z. B. vom Sinfonieorchester des Südwestfunks unter Emmerich Smola oder vom Saarländischen Rundfunkorchester unter Hans Gillessen. Auch Edgar Donneux aus Brüssel dirigierte seine Kompositionen. Daneben sorgten die verschiedensten Rundfunksender, vor allem Radio Monaco, für die Verbreitung seiner Orchesterstücke.

1992 beschloss Jos Kinzé, den Taktstock beim Sängerbond niederzulegen, um sich intensiver mit seiner Kompositionsarbeit zu befassen. Er blieb aber weiterhin Organist der Diekircher Dekanatskirche und konnte sich nun gezielter der Königin der Instrumente widmen.

Unglücklicherweise erlitt er am 5. Mai 1999 während einer Oktavmesse einen heimtückischen Schlaganfall von dem er sich nur langsam erholte und welcher seiner Karriere als Organist ein jähes Ende setzte.

Im Jahre 1996 hatte er sein Luxemburger Orgelbuch veröffentlicht, das er seinem Freund Carlo Hommel widmete. Das handgeschriebene Werk beinhaltet Liedvariationen zu bekannten, einheimischen Kirchenliedern, sowie Fantasien, Meditationen und Toccaten, welche von seiner Inspirationsfähigkeit zeugen.

Jos Kinzé hat in seiner Orgelmusik einen eigenen, unverkennbaren Stil entwickelt. Sicherlich hat der Komponist seine Orgelstücke für sich selbst geschrieben. Zudem wird die Orgel dem Naturell Jos Kinzés wohl am meisten entgegenkommen, meint der Musikkritiker Loll Weber.

Mit seinen zahlreichen Werken hat er sich einen Namen gemacht. Bis ins hohe Alter zeichnete der Meister sich stets durch eine rigurose Arbeitsdisziplin und eine schöpferische Vielfalt aus. André Link schrieb im Jahre 1995, dass Jos Kinzé "zu jener mittlerweile aussterbenden Komponistenzunft gehört, "die noch die Melodie zu ihrem vollen Recht kommen lässt." Seine Musik klinge, so Link, wohlgefällig, ohne sich deshalb aber den oft widersprüchlichen Strömungen unserer Zeit zu verschließen.

Mit dem Tode von Jos Kinzé im Jahre 2003 ging ein bedeutendes Kapitel der luxemburgischen Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts zu Ende. Denn Kinzé gehört, zusammen mit René Mertzig (1911), Norbert Hoffmann (1916), Edmond Cigrang (1922) und anderen, zu den Komponisten, welche das luxemburgische Musikleben der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt haben.

 

André BAULER